Progressionsvorbehalt

Definition: Was ist der Progressionsvorbehalt?

Der Progressionsvorbehalt bezeichnet eine steuerrechtliche Vorgehensweise, bei der an sich steuerfreie Einnahmen wie Lohnersatzleistungen (zum Beispiel Arbeitslosengeld, Elterngeld) bei der Berechnung des Steuersatzes berücksichtigt werden. Dadurch steigen die Steuern. Umgekehrt existiert auch ein negativer Progressionsvorbehalt, der die Steuerlast reduziert.

Der Progressionsvorbehalt ist in § 32b EStG normiert. Demnach gibt es viele steuerfreie Leistungen, die zu einer höheren Steuerlast führen können. Dies liegt an einem besonderen Steuersatz, der im Falle des Progressionsvorbehalts anwendbar ist und den Einkommensteuertarif steigen lässt.

Der Steuersatz berechnet sich aus dem Tarif, der für die Gesamtsumme aus laufenden Einkünften und Lohnersatzleistungen heranzuziehen wären. Die Steuern auf die laufenden Einkünfte werden auf Basis dieses erhöhten Steuersatzes ermittelt. Die Höhe der Steuern, die Steuerpflichtige aufgrund des Progressionsvorbehalts zahlen müssen, lassen sich mit einem speziellen Rechner wie dem Steuerrechner des Bayerisches Landesamts für Steuern berechnen. Bei Anwendung wird im Folgejahr oftmals eine Steuernachzahlung fällig. Steuerpflichtige, die Lohnersatzleistungen beziehen, sollten dafür etwas Geld zur Seite legen.

Inhaltsverzeichnis

  • Lohnersatzleistungen und Progressionsvorbehalt
  • Unterliegt Mutterschaftsgeld dem Progressionsvorbehalt?
  • Überbrückungsgeld und Progressionsvorbehalt
  • Warum gibt es den Progressionsvorbehalt?
  • Führt der Progressionsvorbehalt zu höheren Steuern?
  • Berechnung des Progressionsvorbehalts in vier Schritten
  • Steuerrechner
  • Beispiel: Berechnung des Progressionsvorbehalts mit Elterngeld

Lohnersatzleistungen und Progressionsvorbehalt

Gemäß § 32b EStG unterliegen unter anderem diese Lohnersatzleistungen dem Progressionsvorbehalt:

  • Arbeitslosengeld
  • Teilarbeitslosengeld
  • Zuschüsse zum Entgelt (beispielsweise Zulagen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit)
  • Arbeitslosenhilfe
  • Kurzarbeitergeld
  • Winterausfallgeld
  • Insolvenzgeld
  • Übergangsgeld für Behinderte
  • Altersübergangsgeld
  • Elterngeld (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz)
  • Mutterschaftsgeld
  • Zuschuss zum Mutterschaftsgeld
  • Krankengeld
  • Verletztengeld
  • Übergangsgeld oder vergleichbare Lohnersatzleistungen laut Sozialgesetzbuch
  • Verdienstausfallentschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz
  • Arbeitslosenbeihilfe nach dem Soldatenversorgungsgesetz

Auch die folgenden Auslandseinkünfte sind erfasst:

  • Ausländische Einkünfte, die wegen eines Doppelbesteuerungsabkommens von der inländischen Besteuerung frei sind
  • Im Ausland versteuerte Einkünfte oder im Ausland steuerfreie ausländische Einkünfte, für die in Deutschland die Steuerpflicht gilt

Die Liste der in § 32 EStG aufgezählten Leistungen ist abschließend. Andere als die aufgelisteten Sozial-, Entgelt- und Lohnersatzleistungen unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt. Demnach fallen das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und Sozialhilfe nicht unter den Progressionsvorbehalt.

Unterliegt Mutterschaftsgeld dem Progressionsvorbehalt?

Ja, Mutterschaftsgeld fällt unter den Progressionsvorbehalt und erhöht damit den persönlichen Steuersatz auf das Resteinkommen. Bezieherinnen von Mutterschaftsgeld erhalten von der Krankenkasse eine Bescheinigung, auf der diese Lohnersatzleistungen angeführt sind, die sie von der Krankenkasse bekommen haben. Diese Daten erhält auch das Finanzamt auf elektronischem Weg. Betroffene Mütter müssen den auf der Bescheinigung angeführten Betrag im Mantelbogen der Steuererklärung unter dem Begriff „Einkommensersatzleistungen“ eintragen.

Überbrückungsgeld und Progressionsvorbehalt

Das frühere Überbrückungsgeld unterlag seit 1. Januar 2003 nicht mehr dem Progressionsvorbehalt. Davor wurde es für den Progressionsvorbehalt herangezogen. Diese staatliche Subventionsleistung für Existenzgründer gibt es nicht mehr. Sie wurde mit Wirkung ab dem 1. August 2006 vom Gründungszuschuss abgelöst.

Warum gibt es den Progressionsvorbehalt?

Die Begründung für den Progressionsvorbehalt ist das Prinzip der leistungsgerechten Besteuerung (Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit). Auch steuerfreie Einnahmen, die Personen erhalten, steigern die Leistungsfähigkeit. Demnach soll die Abschöpfung über den Progressionsvorbehalt eine Unterbesteuerung verhindern. Gleichzeitig bleiben die Lohnersatzleistungen steuerfrei. Dies löst das Finanzamt, indem es einen besonderen Steuersatz anwendet.

Dabei sind die folgenden Schritte wichtig:

  • Steuerpflichtiges Einkommen plus steuerfreies Einkommen ergibt das Gesamteinkommen
  • Durchschnittssteuersatz ermitteln
  • Anwendung dieses besonderen, höheren Steuersatzes auf das zu versteuernde Einkommen
  • Besteuerung des steuerpflichtigen Einkommens (ohne Lohnersatzleistungen) nach einem höheren Steuersatz

Führt der Progressionsvorbehalt zu höheren Steuern?

Meist lässt der Progressionsvorbehalt die Steuern steigen. Es gibt aber auch einen negativen Progressionsvorbehalt, der die Besteuerung reduziert. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige mit ausländischen Kapitalanlagen Verluste einfährt oder Sozialleistungen rückerstatten muss.

Berechnung des Progressionsvorbehalts in vier Schritten

Für die Berechnung sind diese vier Schritte relevant:

  1. Schritt: Nettoeinkommen ermitteln
    Vom Bruttoeinkommen sind Aufwendungen wie Beiträge für die Altersvorsorge, Sozialkosten, Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Aufwendungen und Vorsorgeaufwendungen abzuziehen.
  2. Schritt: Steuerfreie Einkünfte ermitteln
    In diesem Schritt sind die dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfenden Einkünfte (§ 32b EStG) zu ermitteln und zu einer Summe zusammenzuzählen.
  3. Schritt: Steuertabelle auswählen und durchschnittlichen Steuersatz ermitteln
    In Schritt 3 ist die passende Steuertabelle (Grundtarif oder Splittingtarif) auszuwählen. Das muss die gültige Steuertabelle aus dem Jahr sein, für das die Steuer zu berechnen ist. Für die Berechnung des Progressionsvorbehalts bedarf es des durchschnittlichen Steuersatzes.
  4. Schritt: Steuer berechnen
    Die Höhe der Einkommensteuer lässt sich anhand der Lohnsteuertabelle ermitteln, die sich aus der Grund- oder Splittingtabelle ergibt.

Steuerrechner

Für die Berechnung des Progressionsvorbehalts sind spezielle Steuerrechner online abrufbar (zum Beispiel Steuerrechner Finanzamt Bayern). Damit lässt sich die Steuer (ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) sowie die steuerliche Mehrbelastung aufgrund des Progressionsvorbehalts ermitteln (prozentual und betragsmäßig).

Beispiel: Berechnung des Progressionsvorbehalts mit Elterngeld

1. Grundlagen

  • Zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 50.000 Euro für das Veranlagungsjahr 2022
  • Dem Progressionsvorbehalt unterliegende Ersatzleistungen: 5.000 Euro
  • Steuertarif: Grundtarif

2. Berechnung der Einkommensteuer mit Progressionsvorbehalt

  • Fiktives, zu versteuerndes Einkommen (= Summe aus zu versteuerndem Einkommen und Progressionseinkünften): 55.000 Euro
  • Steuer auf fiktives zu versteuerndes Einkommen: 13.790 Euro
  • Erhöhter Progressionsteuersatz: (13.790 Euro x 100 / 55.000 Euro)= 25,0727 Prozent

3. Ergebnis

  • Höhe der Einkommensteuer auf restliche Einkünfte (ohne Progressionseinkünfte): (50.000 Euro x 25,0727 Prozent) = 12.536 Euro
  • Prozentuale und betragsmäßige Mehrbelastung:
    Einkommensteuer auf zu das versteuernde Einkommen in Höhe von 50.000 Euro (also ohne Progressionsvorbehalt): 11.816 Euro
    Differenz zur Einkommensteuer mit Progressionsvorbehalt (Belastung der Progressionseinkünfte): 720 Euro
    Prozentuale Belastung der Progressionseinkünfte: 14,4000 Prozent
    Der Progressionsvorbehalt führt im Beispiel zu einer Mehrbelastung in Höhe von 720 Euro.

Quellen

https://www.juraforum.de/lexikon/progressionsvorbehalt

https://www.steuertipps.de/lexikon/p/progressionsvorbehalt

https://www.vlh.de/familie-leben/kinder/mutterschaftsgeld-und-steuern.html

https://www.finanzamt.bayern.de/Informationen/Steuerinfos/Steuerberechnung/Progressionsvorbehalt/

https://www.finanztip.de/steuererklaerung/progressionsvorbehalt/

https://www.iww.de/ssp/archiv/steuererklaerung-ueberbrueckungsgeld-und-progressionsvorbehalt-f3546

https://www.juraforum.de/lexikon/ueberbrueckungsgeld

https://www.steuertipps.de/lexikon/u/ueberbrueckungsgeld

https://www.steuertipps.de/service/rechner/steuer-bei-lohnersatzleistungen-progressionsvorbehalt/

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